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Pippas „entsetzliches“ Erlebnis
 
Die Sache mit Pippa passierte damals, als wir gerade aufs Land gezogen waren. Natürlich war uns klar, daß eine Wohnungskatze sich ganz allmählich an die Freiheit mit all ihren Gefahren gewöhnen muß. Deshalb ließen wir erst von der dritten Woche an ein Küchenfenster offen. Seitdem verschwand sie abends, wenn wir schlafen gingen, im Garten. Morgens, wenn wir die Zeitung reinholten, erwartete sie uns auf der Fußmatte. Dann erhob sie sich gemächlich, schmeichelte uns ausgiebig um die Beine und schlenderte schließlich in Richtung Futternapf.
Bis zu dem Morgen, an dem sie nicht auf der Fußmatte saß. Sie kam auch nicht. Wir riefen, wir lockten, wir öffneten demonstrativ und mit viel Geschepper eine Futterdose. Doch Pippa blieb verschwunden.
 
 Am nächsten Tag gingen Wolfgang und ich mit unserem kleinen David von Haus zu Haus. Unsere neuen Nachbarn schüttelten allesamt bedauernd die Köpfe: „Schwarze Katzen gibt’s hier kaum. Die wäre uns aufgefallen ...“
Ach, war das ein trauriger Heimweg! Ich kämpfte mit den Tränen, David weinte laut, und Wolfgang putzte sich wieder und wieder die Nase.
 
Es war schon fast dunkel, als wir zu Hause ankamen. Unvermittelt packte mich Wolfgang am Arm. „Da! Sieh mal! Neben der  Bank! Der schwarze Schatten!“
 „Tatsächlich. Oh Pippa! Miez, miez, miez.“ -  „Paß auf, du kniest dich hierhin, und ich scheuche sie von dort, dann kannst du sie vielleicht fangen!“
 
Wolfgang schlich sich an, klatschte plötzlich in die Hände, und hopp! landete der schwarze Schatten in meinen ausgebreiteten Armen, Gott sei Dank. Pippa schien allerdings äußerst unwirsch darüber, daß wir sie im Triumph ins Haus schleppten, sie strampelte, biß
und kratzte, bis ich sie los ließ. Wie ein schwarzer Kugelblitz entwischte sie in die Speisekammer und sauste unter den Vorratsschrank.
 
 „Ein Schock“, sagte ich und begann, das Rouladenfleisch fürs Wochenende zu Katzenfutterhäppchen zu zerschneiden. „Sie muß etwas ganz Entsetzliches erlebt haben!“
Offenbar hielt Pippa von uns, ihren Menschen, nicht mehr viel. Wenn ich mich vor den Vorratsschrank kauerte und leise, freundliche kleine Worte murmelte, fauchte sie mich an, und als ich ihr den Finger hinstreckte, schlug sie mit der Tatze zu, daß es blutete. Und das Futter war noch am nächsten Vormittag unberührt.
 
Doch als ich nachmittags dabei war, ein paar vergessene Blumenzwiebeln im Garten einzusetzen, rief David neben mir plötzlich: „Da! Pippa!“
 
 „Was? Wo denn?“ Dann sah ich sie auch. Sie kam auf uns zu, ganz so wie früher, mit selbstbewußt erhobenem Schwanz, sie schmuste um unsere Beine, schnurrte und tupfte die Nase gegen meine ausgestreckten Finger. Keine Spur mehr von ihrem Schock! Allerdings hatte ich sie doch eingesperrt, bevor wir in den Garten gingen. Oder?
 
Im Gänsemarsch gingen David, Pippa und ich in die Küche. Ich öffnete die Tür zur Speisekammer, sah mich um - das Fliegengitter war unversehrt, der Durchgang zur Scheune verriegelt, und die Wände waren glatt und weiß und ohne Ritzen. Mir wurde etwas unheimlich zumute.
 
 „Hast du denn wenigstens etwas gefressen?“ Ich kniete mich hin, um die Schüssel unter dem Vorratsschrank hervorzuangeln. Das laute Fauchen erschreckte mich fast zu Tode, und fassungslos starrte ich in die Dunkelheit unter dem Schrank, geradewegs in zwei weit aufgerissene grüne Augen.
 
 „Ach ...“ stammelte ich. „Du bist gar nicht Pippa?“
 
 Mit der Schubkraft eines knallenden Sektpfropfens schoß das fremde schwarze Tier an mir vorbei durch die Tür zur Küche und dann aus dem offenen Fenster nach draußen.
 
Pippa aber machte sich gleich, zufrieden schnurrend, über das Rouladenfleisch her.
Und der schwarze Kater, den wir (was bei Tageslicht völlig unmöglich gewesen wäre!) damals mit ihr verwechselten? Wenn er uns von ferne sieht, rennt er schnell weg, so schnell er kann. „Die hatten mich eingefangen und wollten mich zwingen, Rouladenfleisch zu fressen!“ hat er allen anderen Dorfkatzen erzählt. „Verrückt sind die! Regelrecht gemeingefährlich!“
von Sabine Dörling-Reifschneider
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 

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